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Die Gemüse-Rebellen

7/27/2015

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Es muss nach Gemüse-Revolution gerochen haben, als sich Daniel, 35, und Simon, 34, im Herbst 2011 zum ersten Mal zu einem Spaziergang treffen. Die beiden Zwei-Meter-Männer kennen sich flüchtig über eine Arbeitskollegin. Hier entsteht die Idee, eine Bio-Gemüsegärtnerei zu übernehmen und sich dadurch mit eigenen, regionalen Lebensmitteln zu versorgen. „Uns war es einfach nicht genug, nur Bio-Gemüse zu kaufen. Wir waren auf der Suche nach einer unabhängigen, selbstverwalteten, lokalen Grundversorgung“, erklärt Daniel, der das Online-Netzwerk stadtimker.de für Münchner Imker und urbane Gärtner veranlasste. 

Simon hat gerade ein gut bezahltes Job-Angebot in China abgelehnt, sein Auto verschenkt und ist Vegetarier geworden. Auf der Suche nach einem nachhaltigeren Lebensstil gründet der Diplom-Betriebswirt und Indien-Experte die Online-Plattform „O‘pflanzt is“, als Daniel das erste Mal auf ihn zukommt. Auch der Diplom-Kommunikationswirt und Freizeitimker Daniel hat keine Lust mehr auf Massenware im Einkaufskorb und will nicht länger die für ihn seelenlose Industrieproduktion unterstützen und nur konsumieren, was ihm vorgesetzt wird. 

Solidarische Landwirtschaft ist das Konzept

Was sie planen, ist nicht neu – aber neu in München. Das Konzept der „Solidarischen Landwirtschaft“ entstand erstmals in den 60er-Jahren unabhängig voneinander an verschiedenen Orten: in Japan, Europa und den USA. 1985 wurde in den USA der Begriff „Community Supported Agriculture“ (CSA) geprägt. Zu dieser Zeit gründeten engagierte Verbraucher auch die erste CSA in Deutschland. Der Hamburger Demeter-Betrieb „Buschberghof“ gilt hier als Vorreiter. Der Ansatz: Verbraucher schließen sich zusammen und unterstützen mit einem festen monatlichen Beitrag einen Landwirt. Im Gegenzug werden sie regelmäßig mit Produkten des Hofes beliefert. 

Kartoffelkombinat – München ist ein Dorf

Einen Namen für ihr Projekt haben die beiden schnell gefunden: „Kartoffelkombinat“ soll die Initiative heißen. Einen Business-Plan haben die zwei Quereinsteiger nicht im Kopf. Sie kennen sich in der Landwirtschaft kaum aus. Doch sie arbeiten sich tief in die Nachhaltigkeitsthematik ein und treffen den Puls der Zeit: Landwirten fehlt Kapital. Städtern fehlt das Land. Erntegemeinschaften bringen beide zusammen. 44 Höfe nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft gibt es bereits in Deutschland, Tendenz steigend.

In dieses Konzept passt hervorragend einer wie Sigi Klein. Den 57-jährigen gelernten Fernmeldetechniker prägt die Katastrophe von Tschernobyl nachhaltig. „Es hat ja damals keiner gewusst, welche Lebensmittel noch genießbar sind“, sagt der aufgeweckte Bio-Fan in blauer Arbeitsjoppe. Er schult zum Gärtner um und kauft 1985 1,4 Hektar Land, auf dem heute seine Gärtnerei steht: das Herzstück des Kartoffelkombinats; 20 Kilometer von Münchens Zentrum entfernt. Ein großes rotes Holzschild in Form einer Tomate am Straßenrand führt zum Hof von Sigi Klein. „Als die beiden 2011 zum ersten Mal auf meinen Hof kamen, war ich sofort von der Idee begeistert“, erzählt er. Für ihn sei es ja kein großes Risiko, Gemüse zu verkaufen. Und wenn es schief geht? Der bayerische Bio-Gärtner verfällt in Öko-Romantik:„ Was brauche ich denn, außer ein Paar Gummistiefel? Ich habe hier das Gemüse, das ist mein Glück.“

Die Idee schlägt gewaltig ein, das Kartoffelkombinat zählt Anfang 2014 mehr als 350 Haushalte in München und der näheren Umgebung. Damit ist es die größte Erntegemeinschaft Münchens. Nochmal so viele stehen auf der Warteliste. Manche Kisten bringt ein Fahrer von der Gärtnerei in Eschenried direkt an die Haustüre, andere zu Abholstellen im Münchner Stadtgebiet. Das Auto zur Verteilung der Bio-Kisten wird via Car-Sharing genutzt. „Das ist eine preisgünstige und ökologisch sinnvolle Alternative zum eigenen Auto“, sagt Simon stolz. 

„Vergiss die Marktforschung, wir müssen Kisten ausliefern!“

Mit diesem Erfolg haben die Gemüse-Liebhaber anfangs nicht gerechnet. „Eigentlich haben wir gar nichts erwartet“, erinnert sich Simon. „Wir dachten, wir testen erst mal und machen eine Art Marktforschung, ohne ausgetüfteltes Konzept oder langfristige Pläne.“ Im April 2012 legen sie los. Sie beschließen, zwanzig Test-Haushalte aus dem Freundeskreis zu akquirieren. In einer Testphase von drei Wochen soll den Probanden einmal wöchentlich eine Kiste voll mit frischem Gemüse geliefert werden. Aus zwanzig werden vierzig Test-Haushalte, von Woche zu Woche melden sich mehr Leute, die Teil des Kartoffelkombinats sein wollen. Nach nur drei Monaten zählt die Erntegemeinschaft bereits 80 Haushalte. „Es blieb keine Zeit für Konzepte oder großartige Strukturen“, sagt Daniel. Seine dunklen Augen strahlen durch die Brille. „Wir dachten uns nur: Vergiss die Marktforschung, wir müssen Kisten ausliefern!“ Im Oktober 2012 gründen sie eine Genossenschaft, erstellen eine Internetpräsenz, vermarkten ihre Idee erfolgreich auf Facebook. Die Presse wird schnell auf die Initiative aufmerksam. Reihenweise melden sich Interessenten, um regelmäßig eine Kiste zu ergattern. 

Gerade richtet Simon mit Praktikantin Alina die Lieferung für den nächsten Tag her. Er zählt auf, was in die großen grünen Kisten kommt: „Birnen, Weißkraut, Tomaten, Radicchio, Asia-Salat, Muskat-Kürbis und frisches Sonnenblumenkernbrot, das wir von unserem Bäcker Dieter zugekauft haben.“ Für 68 Euro im Monat bekommen die Genossen eine Kiste pro Woche zugestellt, Single-Haushalte zahlen 43 Euro im Monat für einen kleineren Anteil. Damit werden die allgemeinen Kosten der Gemeinschaft für Gemüseanbau, Logistik, Pacht und Mieten gedeckt. Für den Beitritt zur Genossenschaft ist eine Einlage von 150 Euro fällig. „Die Genossen bekommen nicht nur die Gemüselieferungen, sondern können auch das ganze Jahr über Seminare, Kochkurse, Gärtnerei-Workshops und Hoffeste besuchen“, erläutert Simon. „Wir bieten einen fairen Preis für faire Arbeit“, sagt Sigi. Viele Städter sehen das ähnlich und haben genug von Fertigsuppe und perfekt geformten Kartoffeln aus dem Supermarktregal. Lieber wollen sie ihr Gemüse wachsen sehen, auch wenn es dann ein bisschen mehr kostet. 

Regionale Lebensmittel verändern Köpfe und Kochtöpfe
Der Gemeinschaftsgedanke wird im Kartoffelkombinat groß geschrieben. „Gemeinsam seine Ziele besser zu erreichen als im Alleingang, das ist der Grundgedanke einer jeden Genossenschaft“, steht auf der Website geschrieben. Die Genossen sind mehr, als nur Kunden, sie haben Einfluss auf Entscheidungsprozesse und werden zu Generalversammlungen eingeladen.

Was ist das Erfolgsgeheimnis des Kartoffelkombinats? „20 Prozent harte Arbeit, 20 Prozent Know-how und 60 Prozent Glück“, sagt Daniel. Das Projekt profitiert von jenem gewaltigen Trend, der in den vergangenen Jahren Köpfe und Kochtöpfe verändert hat. Bio boomt: Aktuell bewirtschaften hierzulande 23 000 Biobauern 6,3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Die Ausgaben der Deutschen für Ökolebensmittel haben sich von 2000 bis 2012 auf sieben Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Sie sind damit Spitzenreiter in Europa. 

Aus dem Gärtner Sigi ist mittlerweile ein umtriebiger Medienstar geworden. „Seitdem die Journalisten hier den Feldsalat pflanzen, passt alles“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Die Zustände seien quasi paradiesisch. Den Gründern Simon, der sich mittlerweile in Vollzeit dem Kartoffelkombinat widmet, und Daniel, der noch einen Zweitjob hat, ist mit der Erntegemeinschaft ein Geniestreich gelungen.

Bislang rechnet sich das Kartoffelkombinat trotzdem nicht. Doch die Gründer haben ehrgeizige Ziele: Die Idee als solche habe sich bereits bewährt. Sie haben den festen Willen, das Kombinat zu vergrößern, um neben der Gärtnerei von Klein langfristig noch mehr Betrieben die Möglichkeit der Autarkie zu geben. „Daran arbeiten wir bereits auf Hochtouren. „Noch können wir davon nicht leben, aber wir machen halt einfach. Wir beuten uns ja nur selbst aus“, sagt er und lacht.
www.kartoffelkombinat.de  

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